Das Thema Eigenbedarf bereitet sowohl Mietern als auch Vermietern Kopfzerbrechen. Generell steht es dem Vermieter frei, seine eigene Wohnung bewohnen zu wollen oder sie einem nahen Angehörigen zu überlassen. Dennoch stellen Gesetzgeber und Gerichte einige komplexe Anforderungen an die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung. Wichtig ist, gerade in dieser Angelegenheit sorgfältig vorzugehen. Wir erläutern im folgenden Beitrag die wichtigsten Gesichtspunkte rund um das Thema Eigenbedarf. Eine anwaltliche Beratung kann dabei helfen, offene Fragen zu klären, Ihre Rechte realistisch einzuschätzen sowie Fehler und hohe Kosten zu vermeiden.
Was bedeutet Eigenbedarf überhaupt?
Grundsätzlich darf ein Vermieter ein Mietverhältnis nur dann ordentlich kündigen, wenn er an der Beendigung ein berechtigtes Interesse hat. Ein häufiger Grund hierfür stellt der „Eigenbedarf“ dar, bei dem „der Vermieter die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt“ (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Unter welchen Voraussetzungen ist eine Eigenbedarfskündigung wirksam?
Der Vermieter muss ernsthafte, vernünftige und nachvollziehbare Gründe für den Eigenbedarf vorweisen können, welche bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist vorliegen müssen. Hierzu gehört insbesondere, dass er bzw. die begünstigte Person tatsächlich die Wohnung nutzen will und dies auch realisierbar ist. Ob dabei die Interessen des Vermieters schwerer wiegen als die Interessen des Mieters, hängt stets von den individuellen Umständen des Einzelfalls ab. Hierbei spielen viele Faktoren eine Rolle, etwa Zuschnitt und Ausstattung der Wohnung, die aktuelle Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Bedürfnisse und Lebensplanung der Bedarfsperson oder auch ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (BGH 18.03.2015 – VIII ZR 185/14). Neben dem klassischen Fall, dass der Vermieter etwa aus Kosten- oder Platzgründen die Wohnung selbst beziehen möchte, wurde Eigenbedarf beispielsweise in Fällen anerkannt, in denen der Vermieter wegen einer Scheidung eine eigene Wohnung benötigte oder nach einem Jobwechsel auf eine Wohnung mit einem erheblich kürzeren Arbeitsweg angewiesen war (BVerfG 20.05.1999 Az. 1 BvR 29/99). Zudem genügt es, zum Zweck der „Pflege familiärer Beziehungen“ in der Nähe der Familie wohnen zu wollen. Auch die Absicht, die Wohnung lediglich an Wochenenden oder nur übergangsweise – etwa während der Renovierung des eigenen Hauses – zu nutzen, kann Eigenbedarf begründen.
Die Gründe für den Eigenbedarf müssen so konkret und nachvollziehbar im Kündigungsschreiben dargelegt werden, dass eine Überprüfung möglich ist. Es reicht nicht aus, bloß die Kündigung „wegen Eigenbedarfs“ auszusprechen oder die Person zu benennen, für welche die Wohnung benötigt wird. Sollen etwa der Sohn oder die Tochter die Wohnung beziehen, ist deren Bedarfslage und Wohnsituation zu erläutern (LG Hamburg, Urteil v. 15.12.2006, 316 S 122/06).
Auch die Kündigungsfrist muss eingehalten werden, es gelten folgende gesetzliche Kündigungsfristen:
- mindestens 3 Monate bei Mietverhältnissen mit einer Dauer von bis zu 5 Jahren
- mindestens 6 Monate bei Mietverhältnissen mit einer Dauer von zwischen 5 und 8 Jahren
- mindestens 9 Monate bei Mietverhältnissen mit einer Dauer von über 8 Jahren
- mindestens 12 Monate bei Mietverhältnissen mit einer Dauer über 10 Jahren, wenn der Mietvertrag vor 2001 geschlossen wurde und dies vorsieht.
Für wen darf Eigenbedarf geltend gemacht werden?
Zunächst darf der Vermieter den Eigenbedarf für sich selbst geltend machen. Darüber hinaus gelten nahe Familienangehörige als Bedarfspersonen, wie etwa:
- Kinder, Geschwister, Eltern, Großeltern, Enkel;
- Nichten, Neffen, Stiefkinder;
- Verlobte, Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner;
- Schwager oder Schwägern;
Entfernte Verwandte wie Tanten und Onkel, Patenkinder oder Kinder des Partners zählen nicht dazu, sofern nicht im Einzelfall ein besonders enger Kontakt besteht. Für Pflegekräfte oder Haushaltshilfen kann wiederum Eigenbedarf angemeldet werden, wenn sie bereits eine gewisse Zeit im Haushalt des Vermieters leben oder er sie künftig bei sich aufnehmen möchte.
Was gilt bei gewerblicher Nutzung?
Grundsätzlich muss der Vermieter die Wohnung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB jedenfalls überwiegend zum Wohnen nutzen wollen. Dabei ist nicht erforderlich, dass sämtliche Räume ausschließlich dem Wohnen dienen sollen; einen kleinen Teil der Wohnung etwa als Büro oder anderweitig geschäftlich nutzen zu wollen, schließt die Kündigung wegen Eigenbedarfs nicht aus. Sofern der Vermieter die Wohnung aber überwiegend zu beruflichen Zwecken nutzen will, kommt eine Kündigung wegen Eigenbedarfs nicht in Betracht. Stattdessen kann eine Kündigung wegen eines sonstigen berechtigten Interesses nach § 573 I 1 BGB infrage kommen, wenn dem Vermieter ein beachtenswerter Nachteil entstünde, falls er die Wohnung nicht zu beruflichen Zwecken nutzen kann.
Wann kann es problematisch werden?
Zwar müssen Gerichte grundsätzlich respektieren, welchen Wohnbedarf Vermieter für sich oder ihre Angehörigen als angemessen empfinden. Dennoch kann eine Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen sein, wenn der Vermieter bereits bei Abschluss des Mietvertrags den Entschluss gefasst hatte, die Wohnung bald selbst zu nutzen, oder wenn er Eigentümer einer genauso geeigneten Alternativwohnung ist (BVerfG, Urteil vom 14.02.1989 – 1 BvR 308/88 u.a.). Problematisch wird es weiterhin, wenn der Bedarf weit überhöht ist – dies wurde beispielsweise vom AG Bonn bei einer 140 qm großen Wohnung mit vier Zimmern für einen alleinstehenden Schüler bzw. Studenten bejaht (AG Bonn 08.06.2021 – 206 C 42/21). Eine pauschale Obergrenze gibt es allerdings nicht, die besonderen Umstände des Einzelfalls sind auch hier ausschlaggebend – obiger Fall könnte z.B. dann anders entschieden werden, wenn eine alleinstehende Person mit ihrem Partner zusammenziehen bzw. eine Familie gründen möchte und daher mehr Platz benötigt.
Unzulässig ist eine Eigenbedarfskündigung vor allem dann, wenn der Vermieter die Wohnung anschließend bloß teurer weitervermieten oder verkaufen möchte. Ferner dürfen Vermieter nicht nach vorangegangenen Streitigkeiten versuchen, unter dem Deckmantel des Eigenbedarfs unliebsame Mieter loszuwerden. Eine vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung kann sogar Schadensersatzansprüche des Mieters auslösen.
Was sollten Vermieter beachten?
Sind die Voraussetzungen erfüllt und ist die Kündigung daher wirksam, muss der Mieter nach Ablauf der Kündigungsfrist die Wohnung verlassen und an den Vermieter übergeben. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass Mieter die Wohnung nicht räumen – in dem Fall bleibt dem Vermieter der gerichtliche Weg mittels Räumungsklage. Erlangt er einen Räumungstitel, kann die Wohnung durch einen Gerichtsvollzieher geräumt werden. Achtung: Eine „Räumung auf eigene Faust“ erfüllt den Tatbestand des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB und ist daher nicht zu empfehlen!
Wie können Mieter sich wehren?
Mieter sind einer Eigenbedarfskündigung nicht schutzlos ausgeliefert. Ob die Kündigung überhaupt wirksam ist – etwa ob überhaupt Eigenbedarf besteht, das Kündigungsschreiben alle formalen Anforderungen erfüllt und die gesetzlichen Fristen eingehalten wurden, kann ein erfahrener Anwalt für Mietrecht zuverlässig prüfen.
Eine anwaltliche Beratung empfiehlt sich in jedem Fall, denn selbst bei einer grundsätzlich wirksamen Kündigung bestehen Möglichkeiten, sich zu wehren. In Betracht kommt etwa ein Widerspruch nach § 574 BGB, wenn die Kündigung eine „unzumutbare Härte“ bedeuten würde. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn bereits ein besonders langes Mietverhältnis besteht, sich wegen einer Schwangerschaft, Erkrankung oder Behinderung oder hohem Alter ein Umzug besonders schwer gestalten würde, oder aber wenn keine andere zumutbare Wohnung beschafft werden kann. Kommt es zum Streit, entscheidet letztlich das Gericht, ob die Interessen des Mieters gegenüber dem Eigenbedarf des Vermieters überwiegen.
Zudem kann er beim Gericht eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO beantragen, deren Dauer sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet – häufig werden drei bis sieben Monate zusätzlich zur gesetzlichen Kündigungsfrist gewährt – und in der keine Räumung erfolgen darf.
Für den Fall einer unwirksamen Eigenbedarfskündigung können Mieter unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatzansprüche geltend machen für alle durch die Kündigung entstandenen Kosten, wie etwa Kosten für anwaltliche Hilfe, den Umzug und die Mehrkosten durch die Anmietung einer neuen Wohnung. Falls die Wohnung bereits verlassen und übergeben wurde, kann gegebenenfalls sogar der Wiedereinzug in die Wohnung verlangt werden, wenn sie noch nicht weitervermietet wurde. Steht die Weitervermietung kurz bevor, kann der Mieter möglicherweise dies verhindern, indem er eine einstweilige Verfügung erwirkt.
Fazit: Eigenbedarf ist möglich – aber klare Regeln schützen beide Seiten
Eine Eigenbedarfskündigung eröffnet Vermietern die Möglichkeit, die eigene Immobilie selbst zu nutzen oder nahen Angehörigen zur Verfügung zu stellen. Doch sie ist an strenge gesetzliche Vorgaben gebunden und muss sorgfältig begründet werden. Auf Mieterseite bestehen wiederum wichtige Schutzmechanismen, die im Einzelfall die Fortsetzung des Mietverhältnisses sichern können. Gerade bei besonderen persönlichen oder wirtschaftlichen Härten auf Mieterseite oder komplexen Bedarfslagen auf Vermieterseite entsteht häufig auf beiden Seiten Verunsicherung.
Unser Tipp: Lassen Sie Ihre Kündigung frühzeitig prüfen – je eher Sie Ihre Rechte kennen, desto besser können Sie Ihre Interessen schützen und hohe Kosten vermeiden.